Ein bunter Zaun trennt den Garten von der B7 oberhalb ab. „JoSch verleiht Flügel“ werden Passanten eingeladen, einzutreten und hier ein Foto von sich mit Engelsflügeln zu schießen. Sie dürfen Pause machen – „Kunstpause“. Wo? Bei JoSch alias Joachim Schulz direkt am Ruhrtal-Radweg am Ortseingang von Antfeld. Nur ein kleiner Schlenker und schon stehen sie in einer Oase. Vor einigen Jahren entdeckte JoSch die Betonkunst für sich, sie seitdem perfektioniert und immer wieder Neues geschaffen.
Ein großer imaginärer Dirigent schwingt den Taktstock. Für welches Werk? Eine kleine Figur auf einem großen Betonsockel hält Ausschau. Wonach? Das bleibt dem Betrachter der Skulpturen im hübschen Betonkunst-Garten überlassen. Weiter vorne im Garten hat sich JoSch an gesellschaftliche Themen gewagt. Ein Corpus mit hochgezogener Kapuze ohne Gesicht, aber mit dem Handy vor sich und Kopfhörern, die zu imaginären Ohren führen. „Abwesend“ heißt die Skulptur. Daneben ein Mann, der sich an goldenen Flügeln vorbei eine Treppe hochwindet, oben aber: nichts als rostige, zerbrochene Flügel. Eine „falsche Freiheit“. „Hier habe ich die Situation der Flüchtlinge thematisieren wollen“, sagt der Künstler.
Egal welche Skulptur, allen gemein ist ein Kern aus Styropor, bei den Kleineren auch ein Drahtgerüst innen. Um dies herum modelliert JoSch den Beton, der gemischt ist mit Glasfaser, damit er nicht reißt. Ist die Figur fertig, wird sie imprägniert, um auch draußen stehen zu können. Mit einer typisch überdimensionierten weiblichen Nana-Figur fing all dies an, sie war JoSch‘ erstes Werk und ist im Garten ausgestellt. Es muss fünf, sechs Jahre her sein, als er mit seinem Freund dessen Stelzenvogel aus Beton von einem Workshop in Arnsberg abholen wollte, beim bekannten Künstler Arno Mester. Joachim Schulz betrat das Atelier und war begeistert. „Ich habe mich an Ort und Stelle für den nächsten Workshop angemeldet.“ Es folgten viele weitere, ganz unterschiedliche Skulpturen gesellten sich zur Nana. Und: Über die Jahre wurden und werden JoSch‘ Plastiken immer ausdrucksstärker und individueller. Ein Zenit ist noch lange nicht in Sicht.
„Arno Mester ist inzwischen wie ein väterlicher Freund“, sagt der 60-Jährige. Die Betonkunst zu entdecken, war für Joachim Schulz, der hauptberuflich Sachbearbeiter im Bauamt des Hochsauerlandkreises ist, nicht weniger als eine „Befreiung“. So lange hatte er gesucht, sein Köper mahnte ihn erst mit einem Herzinfarkt und 2012 mit einem Burn-Out, dass irgendwo ein Gleichgewicht fehlte. Das hat er nun über seine Kunst gefunden. JoSch strahlt dies absolut aus. „Ich bin Nebenerwerbskünstler“, betont der Antfelder darum auch bewusst, dass die Kunst viel mehr ist als sein Hobby.
„Und irgendwie ist das auch unser Ding. Joachim hat schon vieles ausprobiert, hiermit ist er angekommen“, sagt seine Frau Ute, die gerade den Garten mit aufhübscht. Auf dem Jakobsweg hatte ihr Mann sie gefragt, ob sie dabei ist, wenn er das mit der Kunst ausbaut. Sie sagte „Ja“, hilft tatkräftig mit, zum Beispiel bei Workshops. Joachim Schulz ist immer freitags und oft nach Feierabend sowie am Wochenende in seinem Atelier beschäftigt und er sagt: „Ich habe noch so viele Ideen!“ 2019 hat JoSch im Kreishaus Meschede ausgestellt, es kamen so viele Besucher wie selten zuvor. Im Herbst dieses Jahres plant er gemeinsam mit Künstlerkollegen des Kunstvereins Brilon eine Ausstellung im Berghaus in Sundern-Stockum.
Im neu angebauten Atelierraum wartet indes sein neuestes Werk auf einen Platz im Garten: ein lebensgroßer, älterer Mann mit Schnurrbart. Er lässt auf einer Bank, eine Trinkflasche in der Hand und den Kopf im Nacken, die Beine baumeln. Er wirkt echt, nahezu lebendig. Name: „Pause“. Es lohnt sich, für diese Skulptur und für all die anderen, eine „Kunstpause“ in Antfeld einzulegen!
Mehr Informationen zur Kunst von Joachim Schulz gibt es hier.
Dieser Artikel ist im Original aus dem WOLL-Magazin, dem Magazin für Sauerländer Lebensart. Wer mehr über das WOLL-Magazin erfahren und weitere spannende Artikel lesen will, findet hier mehr Informationen.
Quelle: WOLL Verlag
Bildnachweis: Iris Böning